Ausgrabung 1988 | Bericht | |
Prolog |
Als geschichtsbegeisterter junger Mann habe ich im Oktober 1984 mit dem ersten erschienenen Heft die Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ aus dem Konrad Theiss Verlag Stuttgart abonniert. Sie wurde von vier renommierten Archäologen, Prof. Dr. Hugo Borger (Köln), Dr. Dieter Planck (Stuttgart), Dr. Joachim Reichstein (Schleswig) und Dr. Renate Eichholz (Köln) in Verbindung mit dem Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben.
In jährlich vier Ausgaben berichtete die „AiD“ neben einem Schwerpunktthema über Ausgrabungen, archäologische Museen und Wanderwege, gerettete Denkmale u.a.m., aber auch Probleme, im ersten Heft gleich unter der Überschrift „Ein Hobby für jedermann?“ über die Schatzsuche mit Metallsuchgeräten. Das Resumee lautete:
„Schatzsuche, ein Hobby für jedermann? Wenn es dazu käme, bedeutete das zweifellos den beschleunigten Untergang der für unsere Geschichte unverzichtbaren Bodenurkunden. Hingegen wäre ein Zuwachs an Bereitschaft zur Erhaltung des gemeinsamen kulturellen Erbes bei möglichst vielen Bürgern ein Gewinn, der schließlich einen wirkungsvolleren Schutz böte als jedes Denkmalschutzgesetz!“.
Auch der SPIEGEL stellte die Neuerscheinung auf seiner Wissenschaftsseite „prisma“ vor:
„Forum für Archäologen – Lange war es „nur ein Traum“, so der Herausgeber und Kölner Archäologe Hugo Borger, nun hat er sich erfüllt: Ein Kollegium von Archäologen gibt ... eine Zeitschrift heraus – die „Archäologie in Deutschland“. Mit Beiträgen aus der Forschung, Porträts berühmter Archäologen, aber auch Tips für den „archäologischen Wanderweg“, der Interessierten die Geschichte des eigenen Landes nahebringen soll, wollen die Herausgeber sowohl Kollegen wie interessierte Laien gewinnen.“
Als interessierter Laie fühlte ich mich damit angesprochen und war schon bald ein begeisterter Leser, besonders, als ich dann Mitte Januar 1988 im Heft 1/1988 auf S. 48 (von 50) folgende Anzeige lesen konnte:
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„Ausgrabungskurse für die Leser von »Archäologie in Deutschland«
Vom 1. August bis 9. September 1988 bietet das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg den Lesern von »Archäologie in Deutschland« die Möglichkeit, an zweiwöchigen Ausgrabungskursen teilzunehmen. Das Objekt ist ein kleiner römischer Gutshof in der reizvollen Weingegend des Remstals in der Nähe von Schorndorf.
Zusätzlich zu diesem Kurs, der unter Leitung eines Wissenschaftlers der Archäologischen Denkmalpflege durchgeführt wird, sind drei Vorträge, Museumsbesuche und eine Exkursion vorgesehen.
Die Höchstteilnehmerzahl für einen Kurs beträgt 20 Personen; jeder Teilnehmer muß sich für zwei Wochen verpflichten.
1. Kurs: Von Montag, den 1. August, bis Freitag, den 12. August
2. Kurs: Von Montag, den 15. August, bis Freitag, den 26. August
3. Kurs: Von Montag, den 29. August, bis Freitag, den 9. September
Teilnahmegebühr pro Person DM 250,-
Die Kosten für Unterbringung und Verpflegung trägt der Teilnehmer selbst.
Auf Wunsch kann für Unterbringung (einfache oder gehobenere) gesorgt werden.
Weitere Auskünfte: Adelheid Hanke, Landesdenkmalamt BW, Arch. Denkmalpflege, Silberburgstraße 193, 7000 Stuttgart 1, Tel. ......
Anmeldung: Konrad Theiss Verlag, z. Hd. Frau O. Hochmeister, Villastraße 11, 7000 Stuttgart 1, Tel. ....“
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Ich war sofort entschlossen, diese Ausgrabung mitzumachen, die beiden ersten Kurse kamen wegen der Geburtstage von Frau und Sohn nicht in Frage – da blieb nur der dritte Kurs.
Am 24.1.88 habe ich mich als Teilnehmer am 3. Kurs angemeldet und bereits wenige Tage später die Anmeldebestätigung des Theiss-Verlags erhalten – meine erste Ausgrabungsteilnahme stand bevor!
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Ausgrabungskurse
1.8. - 9.9.1988
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Schorndorf-Schornbach, Rems-Murr-Kreis, Baden-Württemberg
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Teilnahme:
29.8. – 9.9.1988
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Die Ausgrabung eines römischen Gutshofes (villa rustica) in Schorndorf-Schornbach wurde wegen der akuten Gefährdung dieser antiken Anlage durch intensive landwirtschaftliche Nutzung des Geländes veranlaßt. Es fanden deshalb planmäßige Untersuchungen in Form von Ausgrabungskursen statt, die erstmals vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Archäologische Denkmalpflege, Stuttgart, in Zusammenarbeit mit dem Konrad-Theiss-Verlag als Mit-Herausgeber der Zeitschruft „Archäologie in Deutschland“ durchgeführt wurden. Die Gebühr war an den Verlag zu zahlen, die Organisation der Kurse übernahm die VHS Schorndorf.
Am Sonntag, dem 28.8.1988, fuhr ich 620 km von Hannover nach Schorndorf-Schornbach und sah mir gleich die Grabungsstelle an: am Feldweg standen vier Bauwagen, ein recht langer Grabungsschnitt führte vom Feldweg über den abgeernteten Acker hangaufwärts, dort war die Grabungsfläche breiter und mit Planen abgedeckt. Anschließend fuhr ich einige Kilometer weiter zum Gasthof „Sonne“ in Rudersberg-Schlechtbach, wo ich Quartier bezogen hatte; die meisten anderen Teilnehmer auch, wie sich am nächsten Morgen beim Frühstück herausstellte. Anschließend bewegte sich ein längerer Pkw-Konvoi zur Grabungsstelle nach Schornbach.
Weiterer Text nach den Bildern
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1. Grabungswoche: |
Die Ausgrabung stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Landeskonservator Dr. Dieter Planck, Oberkonservator Dr. Jörg Biel und Konservator Dr. Rüdiger Krause.
Die örtliche Grabungsleitung lag in den Händen von Christiane Ebeling, Andrea Hagendorn und Dietrich Rothacher, sie waren Studierende der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Abt. Provinzialrömische Archäologie.
Anschließend folgte eine Führung über die Grabungsflächen mit Erklärung der nun freiliegenden Mauern eines
Die tägliche Grabungszeit von 08 – 16.30 Uhr war von zwei Pausen um 10 - 10.30 und 13 - 14 Uhr unterbrochen, die gerne zur Erholung, Stärkung und Gesprächen genutzt wurden. Zur Infrastruktur der Grabung gehörten drei Bauwagen für die Grabungsleitung/Dokumentation, für Werkzeug, Geräte und Fundkisten und für die Teilnehmer; dazu ein Dixi-Klo und einen großen Tank mit Wasser für das Bewässern ausgetrockneter Grabungsflächen.
Die Teilnehmer der beiden ersten Kurse hatten in vier Wochen einen Steinkeller (Keller 1) unter dem rechten westlichen Risaliten des Hauptgebäudes des römischen Gutshofes freigelegt und etwa 60 cm tief (6-7 Steinlagen) ausgegraben. Hier wurde nun nach Einweisung spatentief weiter abgegraben, die dabei anfallenden Funde wurden nach Objektarten (Keramik, Dachziegelbruch, Knochen, Metall usw.) getrennt gesammelt - auch aus den Schubkarren mit dem Aushub. Diese wurden über Planken aus dem Keller (und einer weiteren Fläche) herausgefahren und neben den Flächen abgekippt.
Nach dem Erdabtrag wurde die Fläche mit Gartenhacken und Kellen möglichst eben abgezogen, um Verfärbungen z.B. von Pfostengruben zu erkennen. Das so entstandene „Planum“ mit erkannten und markierten Fundstellen und Befunden wurde fotografiert und dann mit Schnüren im Meterabstand abgespannt, damit die Fläche von Hand gezeichnet werden konnte.
Anschließend wurde die Fläche mit den Befunden dreidimensional eingemessen, wobei der Vermesser mit dem Tachymeter eine große Meßlatte anpeilte, die ein anderer Teilnehmer an den Rändern der Fläche oder des Befundes entlangführen mußte. Die abgelesenen Höhenwerte wurden dann an der jeweils gemessenen Stelle in der Grabungszeichnung eingetragen. Die einzelnen Arbeitsschritte wurden von der Grabungsleitung im Grabungstagebuch vermerkt und die angelegten Plana sowie die Befunde beschrieben.
So erhielten die Teilnehmer eine Einweisung in die praktische Grabungstechnik, zu der auch das senkrechte Abstechen der Erdschichten am Rande der Grabungsfläche gehörte (ebenso das Putzen der Steinmauern und Fundamente), um ebenfalls Verfärbungen von Gruben oder Pfosten im „Profil“ zu erkennen. Einige Teilnehmer konnten auch selbst Plana und Profile maßstabsgerecht auf Millimeterpapier zeichnen, ein Teilnehmer zeichnete sich dabei als Meister seines Architekten-Faches aus und wurde in den Folgejahren als „Michelangelo“ regelmäßig für diese Arbeiten vorgeschlagen, aber soweit konnte noch niemand voraussehen ...
Die beschriebene sehr aufwändige Prozedur wiederholte sich bei jedem weiteren Erdabtrag, sie war wegen der möglichst genauen Dokumentation der Grabungsflächen, -profile und Befunde notwendig und erklärte den recht langsamen Arbeitsfortschritt bei der Lehrgrabung, auch wenn der Einsatz der Teilnehmer sehr hoch war.
Ab Mittwoch unserer ersten Kurswoche wurde eine neue Fläche nördlich von Keller 1 abgegraben, in der sich ein zweiter Keller verbarg, wie sich später herausstellte. Sein Mauerwerk war wegen Steinberaubung nur noch in Resten erhalten, das nördliche Ende des Kellerraums lag außerhalb der Grabungsfläche (und wurde im Folgejahr 1989 ausgegraben).
Mit jedem weiteren Tag gruben wir uns tiefer in die beiden Keller, bis der jeweilige Fußboden, ein Lehmestrich, erreicht war. Beide Keller waren durch eine Rampe oder Treppe zu erreichen, von der Türschwelle zu Keller 1 waren noch beide Schwellensteine vorhanden, von der zu Keller 2 noch einer. Abb. 4 und 5.
In einer dritten Grabungsfläche wurden nur noch unterste Fundamentreste der etwa 28 m breiten Vorderfront („Portikus“) des Gebäudes angetroffen, die sich nach Süden zum Remstal orientierte.
Die Grabungsarbeit wurde gelegentlich durch einen sommerlichen Gewitterschauer unterbrochen, die Pause dann im Bauwagen verbracht. Am Freitag der ersten Kurswoche wurde auf regennassem Acker ein Grabungszelt (Tunnelzelt) von uns aufgebaut, wir waren zwar auch in dieser Tätigkeit ungeübt, aber schafften es doch – rechtzeitig vor dem nächsten Schauer, der die anderen Flächen volllaufen ließ!
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Wochenende zwischen den Grabungswochen |
Das Wochenende verbrachten die aus der Ferne angereisten Teilnehmer vor Ort, während einige, die in der Nähe wohnten, heimfuhren. Am Samstag erlebten wir eine ausführliche, von 8.30 bis 17.00 Uhr dauernde Exkursion unter Führung unserer studentischen GrabungsleiterInnen zu römischen Geländedenkmalen und Museen in der Umgebung: Aalen (Kastell und Museum), Dalkingen (Limestor), Rainau-Buch (römisches Freilicht-Museum), Rotenbachtal (Kleinkastell am Limes), Schwäbisch Gmünd (Kastell Schirenhof) und Welzheim (Kastelle).
Am Sonntag wurde das Landesmuseum in Stuttgart mit den archäologischen „Highlights“ besichtigt.
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2. Grabungswoche:
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Ein weiterer Ausflug und Höhepunkt der Erlebnisse ergab sich aufgrund des Dauerregens am folgenden Montagvormittag, als die Teilnehmer die Werkstatt des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg in Stuttgart besichtigen konnten. Dort wurden uns die Originalfunde von eiszeitliche Tierdarstellungen aus den Höhlen der Schwäbischen Alb gezeigt, bevor sie einer chinesische Archäologendelegation präsentiert werden konnten!
Am Nachmittag mußten dann wieder die vollgelaufenen Grabungsflächen erst per Eimerkette ausgeschöpft werden, später dann mit einer ausgeliehenen Wasserpumpe, die dann nach einer Stunde prompt verstopft war, aber wieder in Funktion gesetzt werden konnte.
Die gemeinsamen Feierabende der auswärtigen Teilnehmer wurden meist im Gasthof „Sonne“ in Rudersberg-Schlechtbach mit ausführlichen Gesprächen und Diskussionen bei Speis` und Trank bis gegen Mitternacht verbracht. Dort hörten wir auch mehrere Vorträge unserer GrabungsleiterInnen über römische Gutshöfe (villae rusticae“), zur Römerzeit in Raetien, zur Luftbildarchäologie und über neue archäologische Erkenntnisse.
Am Donnerstag der letzten Grabungswoche wurden die aufregenden, aber auch anstrengenden Tage bei einem gemeinsamen Grillfest nach (und neben) der Grabung mit unseren örtlichen GrabungsleiterInnen und mit Dr. Krause diskutiert. Dabei erfuhren wir auch von der geplanten Fortsetzung dieser Lehrgrabung am selben Objekt im nächsten Jahr, bei der wir uns wiedersehen wollten, um die gemeinsame Erfahrung einer Grabung erneut zu erleben.
Am Freitag, dem 9.9.1988, wurde im Keller 1 noch eine mit römischen Dachziegeln abgedeckte Abflußrinne freigelegt, außerdem ein Gruppenfoto der Kursteilnehmer und GrabungsleiterInnen gemacht.
Nach einer letzten Übernachtung im Gasthof „Sonne“ fuhr ich am Samstag zurück nach Hannover – um eine spannende Erfahrung reicher und mit dem festen Vorsatz, im nächsten Jahr wieder bei der Lehrgrabung in Schorndorf-Schornbach mitzumachen.
Gerd Lübbers
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